Ein dunkles Gewässer umrandet von hohen schwarzen Bäumen, um deren Stämme sanfter Nebel wabert. Und im Wasser eine kleine, kaum wahrzunehmende Bewegung. Woher kam sie – in dieser windstillen Nacht? In Schottlands zauberhafter Landschaft fällt es nicht schwer, an Elfen und Magie zu glauben. Wir nehmen euch mit ins mystische Schottland.
Schottland ist nicht nur für seine beeindruckenden Berge bekannt, sondern auch für die vielen geheimnisvollen Seen, die so einsam in den grünen Tälern eingebettet liegen, dass es kein Wunder ist, dass sich noch heute zahlreiche Geschichten von Seeungeheuern darum ranken. Nicht wenige Menschen glauben, dass diese Geschichten mehr sind als die Überlieferung aus der schottischen Folklore. Doch entscheidet selbst.
Das Ungeheuer von Lochness
Oder liebevoll nur „Nessie“ genannt ist eine der weltweit bekanntesten Überlieferungen. Über die Zeit hinweg – bis heute – gibt es immer wieder Berichte von angeblichen Sichtungen des Seeungeheuers, mit mehr oder weniger eindeutigen Bildbeweisen. Dabei ist man sich nicht einmal darüber einig, was Nessie eigentlich ist. Manche reden von einem Dinosaurier, andere von einem riesigen urzeitlichen Fisch und wieder andere von einer Gruppe von Tieren. Fakt ist: Loch Ness zieht aufgrund seines legendären Bewohners jährlich über eine halbe Million Touristen an. Loch Ness ist der längste und tiefste See Schottlands, der mehr Wasser enthält als alle Seen in England und Wales zusammen. Kein Wunder, dass sich Menschen seit Jahrhunderten fragen, was in seinen Untiefen verborgen lauert.
Morag: Das Ungeheuer von Loch Morar
Doch Loch Ness ist nicht der einzige schottische See, der ein berühmtes Ungeheuer beherbergt. Das mystisches Wesen Morag hat sein Zuhause an der Westküste Schottlands im Loch Morar. Wie bei Loch Ness berichten auch hier seit Jahren Menschen von Sichtungen des Ungeheuers. 1948 berichteten neun Menschen, dass sie von ihrem Boot aus eine 6 m lange Kreatur im Wasser gesehen hätten.
Kelpie: Der schottische Wassergeist
Kelpies sind angsteinflößende Flussgeister, die der Legende nach, ihre Gestalt verändern können, um ahnungslose Opfer zu ihrem Gewässer zu locken. Kinder locken sie gern in Pferdegestalt ins Wasser, während sie Erwachsenen oft Geräusche von Ertrinkenden vorgaukeln, um den vermeintlichen Retter dann selbst in die Fluten zu ziehen. Einer Legende zufolge entkam ein Kind knapp einem Kelpie – als es das Geisterpferd streichelte, klebten seine Finger fest. Laut der Überlieferung schnitt sich das Kind die Finger ab und rannte davon, um dem Wasserdämon zu entfliehen. Schafft man es jedoch, einem Kelpie Zaumzeug umzulegen, gehorcht es seinem Meister ein Leben lang. Nahe des Vayne Castle in Angus soll Kelpie einen Fußabdruck in Stein hinterlassen haben. Mutige Monster-Forscher können diesen Stein besuchen. Die 30 Meter große Kelpie Statue im Helix Park in Falkirk ist in jedem Fall einen Besuch wert.
Each-uisge: keltische Wasserpferde
Im Gegensatz zum Kelpie, lebt diese mystische Wasserpferd aus der schottischen Folklore im Meer und in den Seen der Highlands. Der Legende nach ist es noch boshafter als das Kelpie. Es taucht in Gestalt eines gutaussehenden Mannes auf und lockt junge Frauen bei einem romantischen Spaziergang an sein Gewässer. Dort ertränkt und verspeist es seine wehrlosen Opfer. Der Geschichte nach lassen die Each-uisge als Zeichen ihres Triumphs die Leber ihrer Opfer zurück.
Die blauen Männer des Minch
Die Sturmkelpies von den Hebriden lauern in den Gewässern im Norden Schottlands auf Matrosen, die sie ertränken, und Schiffe, die sie versenken können. Die Männer mit der blauen Haut haben die Fähigkeit, Stürme heraufzubeschwören. In Wahrheit sind die blauen Männer vermutlich ein Sinnbild für das unzähmbare Meer, das von einem auf den anderen Moment zu einem wilden Untier werden kann, um Schifffahrer in seine Tiefen zu ziehen.
Die Selkies von den Orkney-Inseln
Selkies sind seehundartige Wesen, die in Menschengestalt an Land gehen können. Dabei verstecken sie sorgsam ihr Fell, welches sie benötigen, um ins Wasser zurückkehren zu können. Eine Legende erzählt von einem Mann, der eine schöne Selkie-Frau am Wasser entdeckte und sich sofort in sie verliebte. Um sie bei sich behalten zu können, versteckte er ihr Fell und band sie damit viele Jahre in Menschengestalt an das Land. Nach vielen Jahrzehnten fand die Selkie ihr Fell und floh damit in die Fluten ihres Zuhauses und wurde nie mehr gesehen.
Seonaidh: Keltischer Wassergeist auf der Insel Lewis
Der keltische Wassergeist Seonaidh (gesprochen scho-nie) nahe der Isle of Lewis in den äußeren Hebriden wurde von den Insulanern mit einem Becher Ale besänftigt. Die Überlieferung legt nahe, dass es sich bei Seonaidh nicht um einen bösartigen Wassergeist, sondern eher um eine Art Schutzpatron der Insel Lewis handelt. Demnach watete ein von der Gemeinde ausgewählter Insulaner knietief mit einem Becher Ale ins Meer und rief: “Seonaidh, ich gebe dir diesen Becher Ale, in der Hoffnung, dass du uns wohlgesonnen bist und uns im nächsten Jahr viel Seegras für unsere Felder schickst.“ Dann schüttete er das Ale ins Meer. Ursprünglich war Seonaidh eine Art heidnischer Gott, was das Opfertum erklärt.
Der Corryvreckan-Strudel
Im Golf von Corryvreckan, einer Meerenge, die zwischen den Inseln Jura und Scarba verläuft, befindet sich der drittgrößte Strudel der Welt. Nicht umsonst ranken sich um den Corryvreckan Strudel zahlreiche Legenden. Sein Name stammt vom Gälischen Coire Bhreacain, was so viel bedeutet wie „Kessel der gefleckten See“. Durch starke Gezeiten können sich die Wellen bis auf über neun Meter auftürmen. Ihr unheimliches Tosen ist noch aus 16 km Entfernung zu hören.
Der Nuckelavee: Teufel des Meeres
Last but not least: der Teufel des Meeres. Der furchteinflößende Nuckelavee quält seit Anbeginn der Zeit die Bewohner der Orkney-Inseln. Obwohl er eine Meereskreatur ist, kann sich der Nuckelavee auch an Land frei bewegen. Nicht selten wird er auf dem Rücken eines monströsen Pferdes gesehen. Der gefürchtetste aller schottischen Elfen brachte Dürre, Epidemien und Tod über die Menschen auf den Orkney-Inseln. Sein verwesender Atem ließ die Ernte verdorren.
Fazit
Schottische Legenden sind so geheimnisvoll wie angsteinflößend. Dennoch lohnt sich ein genauerer Blick auf die schottische Folklore, spielen die Geschichten doch meist an den schönsten und sagenumwobendsten Orten Schottlands.