Die Region in der britischen Grafschaft Kent hat so einiges zu bieten, was nicht auf den ersten Blick als Tourist erkennbar ist – darunter Knole House, das zum National-Trust-Angebot gehört und sich in der kleinen Ortschaft mit dem tollen Namen Sevenoaks und rund 30 Minuten von Maidstone entfernt befindet. Knole House ist ein Herrenhaus, das aus dem 17. Jahrhundert stammt und im jakobinischen Stil gebaut ist. Das Gebäude, dessen Räume nicht nur besichtiget werden können, liegt auf einem Hügel und ist eingebettet in einen wunderschönen Wildpark mit alten Eichen und unzähligen Wildtieren.
Die Geschichte hinter Knole House
Bereits 1281 findet die erste Erwähnung von Knole House statt. Gewiss ist, dass das Herrenhaus 1456 an Thomas Bourchier, den Erzbischof von Canterbury, überging, der das Haus zu einem zweigeschossigen Palast umbauen ließ. Einige Jahre später wurde bereits der Wildpark angelegt, der sich durch Ebenen und Täler verwunschen durch die Landschaft schlängelt.
Knole blieb für lange Zeit, nämlich bis 1538 im Besitz der Bischöfe, bevor es durch eine Schenkung an Heinrich VIII überging. 1566 schenkte Elisabeth I. das Herrenhaus und Park ihrem Vetter Thomas Sackville, 1. Earl of Dorset, der das Herrenhaus wieder umbaute und erweiterte. Mehr als 400 Jahre blieb es im Besitz der Familie Sackville. 1945 gab der vierte Lord Sackville das Haus samt Garten sowie dem angrenzenden, etwa zehn Hektar großen Garten an den National Trust. Übrigens: Der 7. Graf von Sackville lebt mit seiner Familie bis heute in privaten Gemächern in Knole House.
Interessanter Fakt: Die Schriftstellerin Vita Sackville-West, die mit ihrem Mann später Sissinghurst aufbaute, wurde in Knole geboren. Als Vitas Vater 1928 starb, durfte sie den Besitz wegen des männlichen Erbfolgers nicht erben. Sie kaufte deswegen mit ihrem Mann Harold Sissinghurst und baute die heute spektakuläre Gartenanlage auf. Doch die Schriftstellerin und Freundin Virginia Wolfs hat es nie überwunden, dort nicht leben zu dürfen. Für Virginia Wold wurde übrigens die Geschichte von Knole House und die der Familie Sackville zur Grundlage ihres Romas Orlando.
Freiheit sexueller Beziehungen in Knole
Die Geschichte von Knole House ist einer der vielen Orte des National Trust, der von Menschen geprägt und bereichert wurde, die mit der konventionellen Vorstellung von Geschlecht und Sexualität gebrochen haben. Berühmt ist die Geschichte rund um die Schriftstellerin Vita Sackville, deren Familienhaus Knole war und die eine offene Ehe mit dem Diplomaten und Schriftsteller Harold Nicolson führte. Beide hatten eine Reihe gleichgeschlechtlicher Beziehungen außerhalb ihrer Ehe – darunter die zwischen Vita und Virgina Woolf.
Vita traf Virgina 1922 und hatten bis zum Tod von Virginia Woolf im Jahr 1941 eine leidenschaftliche Affäre. Sie verbrachten in dieser Zeit mindestens eine Nacht gemeinsam in Knole House. Nicht ohne Grund also übernahm Virginia Woolf Knole als Basis für ihren historischen Roman Orlando. Virginia überreichte Vita am 6. Dezember 1928 das Manuskript mit Widmung – ein Werk, in welchem Woolf die Rollen von Mann und Frau hinterfragt und die Stellung der Frau in der Gesellschaft zu verschiedenen Epochen unter die Lupe nimmt.
Das gibt es in Knole House zu sehen
Knole House hat für mich mehrere Bestandteile, die einen Besuch wirklich lohnenswert machen.
Die Showrooms im Herrenhaus
Einige Etagen des Herrenhauses sind umfangreich vom National Trust renoviert worden und stehen Besuchern zwischen März und Oktober als sogenannte „Showrooms“ zur Besichtigung offen – gegen einen kleinen Eintritt. Die Säle und Zimmer sind opulent mit Taperzierarbeiten, Decken, Schnitzereien und Gemälden der Familie Sackville und einiger Erzbischöfe ausgestattet. Ein echtes Muss für Fans der englischen Geschichte.
Atemberaubend fand ich persönlich das Schlafzimmers des Königs Heinrich VIII mit einem wunderschönen Himmelbett, atemberaubenden Textilien, die wie nie berührt aussehen, und wie vergoldet wirkenden Brokat-Vorhängen. So toll dieses Zimmer auch für den König gestaltet wurde: Er selbst hat hier nie genächtigt, sondern nur sein Gefolge untergebracht. Wer sich wundert, warum ich keine Bilder gepostet habe: In den Showrooms ist Fotografieren verboten.
Der Wildpark
Für mich ist das unangefochtene Highlight ehrlich gesagt der Wildpark mit den Anhöhen und Tälern sowie dem freilaufenden Wildtier, das überhaupt keine Angst vor einem hat. Die alten Eichenbäume und das leicht hügelige Gelände bieten eine Kulisse, die atemberaubend schön ist und man sich in TV-Produktionen gut vorstellen kann. Festes Schuhwerk ist hier allerdings angebracht, denn das nasse Wetter in England macht die Wege doch sehr matschig.
Übrigens: Wer im Wildpark gerne picknicken möchte, darf das gerne tun. Man sollte allerdings nicht das Wildtier füttern. Der National Trust empfiehlt, das Picknick in der Nähe des Parkplatzes zu halten, wo eine große Wiese und sanitäre Anlagen zur Verfügung stehen.
Die Orangerie mit Garten
Leider war es ein wenig früh im Jahr und so konnten wir nur einen kurzen Blick in die Orangerie werfen. Der Garten war leider noch nicht für den Publikumsverkehr geöffnet. Doch ich habe natürlich einmal durchs Fenster und durch die Zäune gelinst und kann mir vorstellen, dass er in der Blütephase sehr sehenswert ist.
Tearoom und Shop
Wer eine National Trust Anlage besucht, sollte niemals auf einen Snack in einem der Tearooms verzichten. Und das gilt auch für das „Brewhouse Café“ in Knole House, das sich unweit der eigentlichen Anlage befindet. Die angeborenen Suppen, Pies und Scones sind immer herrlich zu genießen – und das in wunderschönen Location. Und im Sommer gibt es auf der Dachterrasse dazu eine wunderschöne Aussicht.
Kleine National Trust Shops, in denen sich allerlei Zubehör für Gärten, Shortbread oder Bücher shoppen lassen, sind immer direkt angedockt oder in unmittelbarer Umgebung.
The Little Bookshop
Zuerst hatte ich den kleinen Buchladen im Innenhof des Herrenhauses gar nicht entdeckt. Zum Glück war ich aber wachsam und konnte mich da nochmal von einer Reihe englischer Kochbücher und Romane inspirieren lassen. Darin gibt es sogar eine kleine Spielecke mit Büchern für den Nachwuchs.
Der Gatehouse Tower
Auch der zum Herrenhaus dazugehörige Gateway Tower kann besichtigt werden. 77 Stufen führen hinauf, von wo man eine spektakuläre Aussicht über den Park hat. Zwei Räume stehen hier ebenfalls den Besuchern offen, wo man mehr über das Leben des ehemaligen Bewohners Eddy Sackville-West erfahren kann.
Mit dem Hund nach Knole House
Wir sind in aller Regel mit unserem Labrador Sam unterwegs und scheuen nicht davor, ihn zu solchen National Trust Anlagen mitzunehmen. Wer mit Hund kommt sollte wissen: Hunde sind im Inneren des Herrenhauses nicht erlaubt. Deswegen macht ein Besuch der Anlage mit mindestens zwei Personen auf jeden Fall Sinn. Denn so kann man sich aufteilen: Während der Eine das Innere des Herrenhauses besichtigt, kann der Andere eine schöne Wanderung durch den Park unternehmen.
Zwischen drei und fünf Kilometer sind die Rundwege lang und bieten wunderschöne Einblicke in den Park – freilaufende und unzählige Hirsche inklusive, die übrigens überhaupt keine Angst vor Hunden haben – die natürlich angeleint sein müssen. Und wer die Augen aufmacht, wird ebenfalls unzählige Eichhörnchen entdecken. In den Tearoom darf der Hund dann wieder mit hinein. Und überall finden sich natürlich Wasserstellen, aus denen der Hund auch mal schlabbern kann.
Tipp: In jedem Fall alte Handtücher für den Hund einpacken. Die Böden sind sehr lehmig und dementsprechend sieht der Hund später aus. Wenn er dann in den Wagen soll, der im Urlaub noch ein paar Tage länger sauberbleiben soll, wird es kritisch.
Informationen und Öffnungszeiten rund um Knole House
Der Park öffnet in aller Regel um 10 Uhr und ihr solltet in jedem Fall einen halben Tag hier einplanen. Falls ihr eine Wanderung unternehmen wollt, gerne auch etwas mehr. Im sogenannten Visitor Center arbeiten sehr engagierte und sympathische Mitarbeiter, die bei allen Fragen rund um Knole helfen – inklusive Eintrittskarten, Broschüren und Wanderkarten. Weitere Infos.
Südengland hat übrigens noch viel mehr zu bieten – und zwar auch mit Hund. Die liebe Sandra vom Blog „8 Füße um die Welt“ war mit ihrem Partner und Vierbeiner im Dungeness – Naturschutzgebiet und Künstler „Village“ und erzählt euch, was es dort zu sehen gibt und wie das mit eurem Vierbeiner funktioniert. Aber lest selbst: https://alexandratogo.de
Tja, und noch mehr Ideen habe ich kürzlich in meinem Beitrag „So schön ist Südengland“ mit Hilfe einiger Blogger zusammengefasst.
Deine Reisetipps machen Lust, einmal länger in England zu reisen. Hast du auch einen Tipp, wo in der Nähe es sich gut absteigen lässt? Vielleicht sogar in einem Schloss?
Liebe Marion, ja und nein. In Maidstone gibt es zum Beispiel einige ganz gute Hotels, wo man übernachten kann. Eine Bleibe, die sich für mehr als zwei Tage auftut, hab ich allerdings noch nicht gefunden. Ich mache aber demnächst einen gesonderten Artikel dazu. Liebe Grüße, Simone